Dorfchronik - Bowil und seine Geschichte

Bowil und seine Geschichte Paul Stalder, alt Gemeindeschreiber, Bowil Im Eigen-Verlag der Gemeinde Bowil und des Ortsvereins Bowil

Foto Umschlagbild, Gestaltung, Satz und Druck Fr. Eichenberger, Wikartswil, 3512 Walkringen

Inhaltsverzeichnis Zum Geleit ........... . Vorwort .............. . Ortsname und Gemeindewappen . . . . . . Bowil auf einen Blick . . . . Geschichtlicher Überblick . . . . . . . Schlösser, Landvögte Bauernkrieg Auswanderung Seite . .. 7 . . 9 11 ...... 13 18 Gerichte unter bernischer Obrigkeit . . . . . . . . . . . . . 30 Letzte Hinrichtung im Kanton Bern Besiedlung und Grundbesitzverhältnisse im späten Mittelalter . .39 Wirtschaft, Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Landwirtschaft, Käsereien Gewerbe Eisenbahn Erwähnenswerte alte Häuser . . Bauliches ........... . Gemeinde-Finanzen Schulen .... . Kirche....... . .... 57 62 69 71 80 Fürsorgewesen . . . . . . . . . . . . . 84 Herausragende Persönlichkeiten . . . . . 86 Persönlichkeiten in Bowil heimatberechtigt, Dichter und Zeichner, Politiker, Gemeindefunktionäre Kulturelles und Verschiedenes . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Bibliothek, Vereine, Alte Bräuche, So war es einmal, Sehenswertes

Zum Geleit Während Jahrzehnten hat unser Ehrenbürger Paul Stalder als Gemeindeschreiber und später als Präsident des Ortsvereins an vorderster Front bei der Entwicklung und Gestaltung unserer Gemeinde mitgewirkt. Im Verlauf der Zeit hat er dadurch nicht nur einen Einblick in die Gegenwart, sondern auch in die Vergangenheit erhalten. Sein umfangreiches Wissen hat er nun wieder in den Dienst der Gemeinde gestellt. Die vorliegende Chronik «Bowil und seine Geschichte» ist sein Werk. Ich danke dem Verfasser herzlich für seine grosse Arbeit. In den Dank eingeschlossen sei auch der Ortsverein Bowil, der die Herausgabe der Chronik finanziell unterstützt hat. Der:, interessierten Bürgerinnen und Bürgern bietet di_e Chronik einen vertieften Einblick in diß Geschichte unserer Gemeinde. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine angenehme und bereichernde Lektüre. Der Gemeindepräsident Erich Wegmüller 7

Vorwort Ganz natürlich ist, dass wir an unserem Wohnort nach und nach Wurzeln schlagen und uns mit dem Geschehen in der Gemeinde identifizieren. Dadurch wird vielfach der Wunsch wach, ein wenig die Geschichte der Wohngemeinde kennen-.zu lernen. Diesem natürlichen Werdegang von Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürgern möchte diese Schrift dienlich sein. Zugleich möchte der Anreiz gegeben werden, aktiv am Gemeindeleben teilzunehmen.- Aus der Erkenntnis des Vergangenen lernen wir das Gegenwärtige besser verstehen. Die Gemeinde ist bekanntlich die eigentliche Schule der Demokratie. Die übersichtlichen Verhältnisse geben dem Bürger die Möglichkeit, die Probleme zu übe'rblicken. Jeder politisch oder kulturell ·Interessierte kann in der Gemeinde aktiv mitarbeiten. Die Ortsgeschichte von Bowil ist nirgends zusammengefasst. Die Quellen der Ortsgeschichte Bowil sind vielfältiger Art. So kann den Archiven der Gemeinde, der Kirchgemeinde und des Kantons einiges entnommen werden. Dann ist in anderem Zusammenhang in Zeitungen von Bowil die Rede, oder es wird in Chroniken über das Amt Konolfingen, in Büchern über Schlösser und das Emmental, in Schriften über den Bauernkrieg Geschichtliches von Bowil erwähnt. Im laufe der letzten Jahrzehnte habe ich das Einschlägige, das mir vor die Augen kam, gesammelt und Nachforschungen gemacht. In dieser Schrift ist nun das, was allgemein interessieren könnte, aufgeführt. 9

Vieles wäre noch zu erforschen, ich hätte eigentlich Lust dazu, aber kürzlich wurde ich 80jährig und möchte mich nun vermehrt den Vorbereitungen auf meine letzte Reise und anderem zuwenden. Ich habe noch allen Helfern zu danken, so dem Gemeindepräsidenten Erich Wegmüller, dem Gemei_ndeschreiber Heinz Berger und seinen Mitarbeiterinnen sowie den Beamten der Archive. Frau Christine Bachmann als Präsidentin des Ortsvereins, danke ich für den Beitrag «Täufer in Bowil» Paul Stalder 10

Ortsname und Gemeindewappen Der Name Bowil geht vermutlich auf den ersten alemannischen Siedler (Gehöft des Bono) zurück. 1299 wurde der Ort Bowil urkundlich als Bonwyl erstmals erwähnt, etwas später auf der Karte von Thomas Schöpf als Bonuyl. In einer Urkunde von damals wird ein «Heinricus von Bonwile» als Zeuge aufgeführt. Er wird als Junker bezeichnet, gehörte demnach dem Adel an und besass das Burgerrecht der Stadt Bern. Die adeligen Bonwile besassen Grundbesitz in unserer Gegend. Vermutlich kamen sie daher zu ihrem Familiennamen. Gemeindewappen Auf eine Anfrage beim Staatsarchiv antwortete der Staatsarchivar am 18. März 1912 dem Gemeinderat, er habe das Gemeindewappen von Bowil gefunden. Blasonierung: <<In Gold auf einem roten Dreiberg drei grüne Tannenzweige». Hierauf beschloss der Gemeinderat an seiner Sitzung vom 1. April 1912, das Wappen zu akzeptieren. Zugleich wurde der Kunstmaler Huttenlocher in Bern mit dem Malen des Wappens beauftragt. Dieser stellte dann für das Malen des Wappens Rechnung im Betrag von Fr. 12.-. 11

Bowil auf einen Blic·k Bowil ist mit 14.69 Quadratkilometern Fläche nach Worb mit 20.92 km2 , Walkringen mit 17,21 km2 die drittg'rösste' Gemeinde im Amt Konolfingen. Mehr als ein Drittel der Fläche, nämlich 5,38 km2 sind Wald. Die Station der Schweizerischen Bundesbahn liegt mit 702 müM auf der Wasserscheide Aare-Emme. Der tiefste Punkt der Gemeinde ist in Groggenmoos (690 müM), der höchste Punkt auf dem Ringgis (1200 müM). In Oberhafen entspringt der Kiesenbach. Die Gemeindestrassen haben eine Länge von 32 _km, davon sind 22 km geteert. An der Gemeindegrenze zu Signau beidseits der Talenge liegen auf Boden der Gemeinde Bowil die zwei Ruinen der $tammburgen der Freiherrschaft Signau, Alt-Schloss ob Steinen und Neu-Schloss ob Schlossberg. Die Gemeinde Bowil gehört zur Planungsregion Kiesental. Bevölkerung Bowil-Burger leben heute hier in ihrer Heimatgemeinde noch rund 200; in der ganzen Schweiz sind es rund 4700. Seit dem Jahr 1796 wurden in der Gemeindeschreiberei Bürgerregister geführt, d.h. die in der Schweiz lebenden Burger mit allen Personalien genauestens eingetragen. 1990 war für dieses Register das Ende, dies, weil auf Geheiss des Kantons an deren Stelle das Zivilstandsamt in Grosshöchstetten Familienregister zu führen hat. Bis 1990 wurden somit • die Heimatscheine von der Gemeindesc.hreiberei ausgefertigt, seither nun stellt das Zivilstandsamt in Grosshöchstetten die Heimatscheine aus. Jährlich sind das 130 bis 200 Stück. Nach den uns bekannten Zahlen hatte die Einwohnerzahl 1860 einen Höchststand von 1723 Einwohner erreicht. Bis 1988 sank die Zahl 13

der Einwohner auf 1292, um dann bis 19-94'.-wieder auf 1452 Personen anzuwachsen. Dieses Auf und Ab ist wohl so zu erklären: Zufolge massiver Aufstockung der Landwirtschaftsbetriebe (1929 waren es 182 Betriebe, 1993 nur noch 123) und kleineren Bauersfamilien (weniger Kinder und praktisch keine Dienstboten mehr) ist die landwirtschaftlic~e Bevölkerung von 921 im Jahre 1930 auf heute 400 Personen zurückgegangen. Andererseits brachte die rege Bautätigkeit der letzten Jahre den Zuwachs der Bevölkerung. , Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Bowil Davon LandwirtJahr Einwohner Ausländer männlich weiblich schaftl. Bevölkerg. 1764 951 1860 1723 876 867 1900 1665 864 801 1920 1532 796 736 1941 1448 753 695 892 1960 1475 770 705 1988 1292 633 658 1990 1331 20 671 660 '---- / __,. -- -- - 1995 1452 32 732 720 400 14

Bowilerlied GoH-f ried Gerber U -t; r. - 'fe- II• 1 es 15

Gemeindeverwaltung Die Gemeindeschreiberei war bis 1978 im Hause des jeweiligen Gemeindeschreibers untergebracht, von 1979 - 1988 dann provisorisch im Schulhaus Bowil. Im Zusammenhang mit dem Bau der Umfahrungsstrasse in Oberhafen konnte die Gemeinde das Bauernhaus Neuenschwander erwerben. Sie baute dann im Jahre 1988 dieses Haus mit einem Aufwand von Fr. 215001000.- in ein Büro--und Wohnhaus aus. Die Gemeindeverwaltung mit Büro der Gemeindeschreiberei und der Gemeindekasse sowie einem Sitzungszimmer ist nun dort zweckmässig untergebracht. Zudem sind in diesem Gemeindehaus 100 Schutzplätze des Zivilschutzes eingerichtet worden. Oberhofen vor dem Bau der Umfahrungsstrasse. Die Staatsstrasse führte direkt an der Wirtschaft zur Linde vorbei. Vorne rechts das Dach der nun abgebrochenen Scheune zur Wirtschaft. 16

Gemeindehaus Bowil Umbau Bauernhaus/Gemeindehaus 1988 Ansicht von Westen Ansicht von Osten 17

.. Geschichtlicher Uberblick Vor 10'000 Jahren Beim Verlegen der Abwasserleitung wurde im Jahre 1978 im Moos bei Mirchel in vier Metern Tiefe ein zirka 10'000 Jahre altes Elchgeweih gefunden. Zur Lebenszeit dieses Elches, das kann angenommen werden, durchstreiften nebst diesem, Elch Ochsen, Wildrinder usw. das menschenleere mit Sträuchern bewachsene und von Sümpfen durchsetzte Gebiet. Im eigentlichen Hügelland der Emme oberhalb Burgdorf, insbesondere im .Gemeindegebiet Bowil, ist der sichere Nachweis keltisch-römischer Siedlungsspuren noch nirgends gelungen. Ebensowenig konnten Siedlungen aus der vorangehenden Epoche der älteren Eisenzeit (750-450 v. Chr.) und der jüngeren Eisenzeit (450-58 vor Chr.) festgestellt werden . .700 - 800 In den Jahren 700 bis 800 n. Ch. begannen alemannische Bauern die Wälder unserer Gegend zu roden. Vereinzelte urkundliche Nachrichten lassen den Schluss zu, am Ende des ersten Jahrtausends _seien die begünstigten Teile des Hügellandes schon einigermassen besiedelt gewesen. Ein Jahrhundert später waren auch die abgelegenen Täler urbar gemacht und der Wald auf die Kuppen der Höhenzüge und die Steilhänge der Gräben zurückgedrängt. Über die folgenden Jahre sind keine geschichtlichen Zeugen bekannt, (die Alemannen hinterliessen nichts Schriftliches) bis dann 1130- die ersten Bewohner des Alt-Schlosses, nämlich die drei Brüder Werner, Ulrich und Burkhard, Freiherren von Signau, urkundlich erwähnt werden. 18

1212 - 1224 1277 wird ein Werner von Signau in den Urkunden erwähnt. Dieser ist vermutlich der Begründer des berühmten Geschlechts der Freiherren von Schweinsberg und Attinghausen, deren emmentalische Stammgüter, in unmittelbarer Nähe von Signau gelegen, zu Werners Besitztum gehörten. wurden die Freiherren von Signau in das Burgerrecht der Stadt Bern aufgenommen. Im allgemeinen schlossen sie sich aber doch den Gegnern der Stadt, dem hohen Adel und den Häusern Habsburg und Kyburg, an. Durch Allianzen mit den Grafen von Buchegg und von Kyburg-Burgdorf wurde der Glanz des Hauses gefestigt. _: .:: ·-7 ···· . - -;' -; · .... . . c',' .,\ . ,' . _;-'t;;-r :-:;. --~ ... •r:~~..::;,,.~ -...: : ;.-;;-:-;:,;-~ ..... . •/, . ,,. ) f' • ,..- ,,c.. _:~ J ;j "-, ◄ Alt-Schloss, nach einer Zeichnung von B. Moser, entstanden zwischen 1880 und 1890. 19

I - . . . -~-- . - . . ~ ._- _. ~· : . . - · . . . ~-.. .. . :.·. Neu-Schloss von Süden, nach einer Zeichnung von J. R. Dill. 1335 besass Graf Hugo von Buchegg die alte Burg Signau (AltSchloss). Freiherr Ulrich von Signau, der Anastasia von Buchegg, die Schwester des Grafen Hugo zur Gemahlin hatte, mochte sich damals die gegenüberliegende <<neue» Burg (Neu~Schloss) erbaut haben. Das Neu-Schloss galt als eine der schönsten Burgen der Schweiz. Auffallend stark und mächtig, mit vier Erkern versehen, war der Bergfried, so dass vermutet wird, er habe ursprünglich als Wohnturm gedient. 1386 fielen in der Schlacht bei Sempach die Freiherren Hemmann, Matthias und Niklaus von Signau auf der Seite der Burgunder. Ihr Fähnlein kam an die Obwaldner. 20

Mit ih~en starb dieses Freiherrengeschlecht aus. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts gehörte dieses Adelsgeschlecht zu den glänzendsten des Schweizerstandes. Um diese Zeit wurde wohl das «Alt-Schloss»; endgültig dem Verfall überlassen. 1399 verkauften Graf Egon und seine Gemahlin Anna von Kyburg den Besitz Signau an die Stadt Bern. Die Stadt verkaufte die Herrschaft dem Ratsherrn Johann von Büren. Nachdem das Schloss noch ein paar Male Besitzer gewechselt hatte, kaufte sich 1529 die Stadt Bern Burg und Herrschaft Signau zurück. 1529 - war das Neu-Schloss Sitz der Landvogtei Signau. 1798 Während dieser Zeit haben 50 Landvögte hier gehaust und die Geschicke ihrer Untertanen gelenkt. 1653 Bauernkrieg Während des 30jährigen Krieges, der in den Nachbarländern tobte, erlebte unser Land eine wirtschaftliche Blüte. landwirtschaftliche Produkte sind gut bezahlt worden. Die Regierung hat zwar versucht, Höchstpreise festzulegen. In den Nachkriegsjahren sanken die Preise·aber dann sehr tief. Ein Mütt Roggen galt 1635 24 Pfund 1650 nur noch 12 Pfund Die Regierung wertete die kleinen Mün~en-zudem um die Hälfte ab. Das brachte die Bauern in Geldnot. Diese Nöte 21

und die Unzufriedenheit mit der Herrschaftspraxis der Obrigkeit gab er Anlass zum Aufstand der Bauern und zum Bauernkrieg. Im Bauernkrieg tat sich Michael Luginbühl aus der Gemeinde Bowil hervor. Er war an der Verschwörung von Sumiswald beteiligt und galt als einer der «bösen Anstifter». Im Mai, am dritten Tag der Belagerung Berns durch die unzufriedenen Bauern, verhandelte der Bauern-Obmann Niklaus Leuenberger mit den hohen Gesandten aus der Stadt beim Murihölzli unter freiem Himmel. Der Bergmichel aus Signau drohte den Herren offen. Als ihn Leuenberger zur Ruhe mahnte, ging der ungestüme Signauer mit seinem Bowiler Freund Michael Luginbühl auf den Obmann los und <<traktierte ihn übel». Nach dem unglücklichen Ausgang des Krieges wurde dieser Michael Luginbühl als <<böser Rebell» mit 90 Kronen gebüsst. Von diesem Michael Luginbühl weiss man weiter, dass er 4 Pferde, 2 Fohlen, 10 Milchkühe, 10 Rinder, 5 Kälber und 2 Schafe besass. 1740 übernahm der neu eingesetzte Landvogt Bernhardt von Graffenried vom Vorgänger nebst Hausrat: 22 in der Kefy: 8 Kefy deckenen 1 Block 1 Strecki (mit Seil) 1 Schraube (zum Einklemmen der Daumen), 2 Nachtstühl. im <<Zeughaus»: 7 <<Musqueten» (Gewehre) 2 Kugelmodel

8 buschelen Lunden (Zündschnüre), 5 grosse Stücky bley 6 Halparten 1 Hartzpfanne 1 Hartzwurst. im Pulver-Turm: 2 Tonnen Pulver 1798 am 5. März marschierten General Schauenbergs französische Soldaten in Bern ein. Während bei Neuenegg der Angriff der Franzosen abgewehrt werden konnte, erlitten die heldenhaft kämpfenden Berner beim Grauholz eine entscheidende Niederlage. Darauf besetzten die Franzosen die Stadt Bern. An diesen Kämpfen nahmen auch die vier Bataillone des Regiments Konolfingen teil, im Grauholz das Auszügerbataillon Tillier und das Füsilierbataillon Daxelhofer. Viele Gefallene waren zu beklagen. Die Namen der Gefallenen sind in einem Verzeichnis im Staatsarchiv des Kantons festgehalten. Von Bowil sind aufgeführt: Engel Hans Haldimann Hans Haldimann Niklaus Kammermann Hans Luginbühl Niklaus Pfäffli Peter Thierstein Christian 1798 Nach dem Fall Berns fühlte sich der Landvogt auf dem obrigkeitlichen Schloss nicht mehr sicher. In der Nacht erschienen zwei Behördevertreter von Signau im Schloss, um der landvögtlichen Familie den Rat zu schleunigster 23

Flucht zu überbringen und sie von der drohenden Stimmung im Landvolk der Umgebung zu unterrichten. Am 6. März, morgens um 2 Uhr flüchtete der letzte Landvogt Beat Emanuel Tscharner, Oberst über das Scharfschützencorps, mit seinen Angehörigen auf sein Gut Niederberg in Oberthal. Nach seiner Flucht drangen Soldaten und Landsleute ins Schloss ein. Während zwei Tagen wurde geplündert, geraubt und vernichtet. Was man nicht mitlaufen lassen konnte, wie Öfen, Türen und Täfer, sei zerschlagen worden. 1801 . am _20. Mai kaufte Daniel Röthlisberger, Statthalter in Langnau, das Schloss um 52500 französische Franken. 27 Franken, 7 Batzen und 2 Rappen bezahlte er in bar und den Rest mit 69 Gutscheinen für schuldige, rückständige Besoldungen. (Also schon damals behördliche Schuldenwirtschaft). 1804 I • erwog Bern den Wiederankauf des Schlosses. Das Gutachten ·des Ratsherrn von Mutach betonte, dass der Zugang zum Schloss grausam steil sei. Der Weg bilde ein Hindernis für den Verkehr des Oberamtmanns mit qem Volke, und die Instandstellung käme zu teuer. Der Kleine Rat beschloss, von der Wiedererwerbung des Schlosses Abstand zu nehmen. 1830 Um diese Zeit wurde das_Schloss abgebrochen und das brauchbare Material verkauft. 1850 Bis über die Mitte das letzten Jahrhunderts war noch der grosse Turm des Schlosses zu sehen. Dann wurde auch er abgebrochen. 24

1858 Arbeiten zur Entsumpfung des Signau-Lichterswil-Mooses abgeschlossen. 1878 Auswanderung In den Jahren 1878 - 1882 wanderten 7 Bowiler nach Amerika aus. Das geht aus einer Mitteilung des bernischen Statistischen Büros von 1883 hervor. Leider sind dort keine näheren Angaben über diese Auswanderer festgehalten. Auswanderer, gemalt von Hans Bachmann (1852 - 1917). 25

26 Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts verliessen zehntausende von Bernern ihre Heimat, um nach Übersee auszuwandern. Es war die wirtschaftliche und,soziale Not, zufolge Arbeitslosigkeit, Teuerung, Missernte und Bevölkerungswachstum, die zum Wegzug veranlaste. Die Auswanderer hofften, in der neuen Welt eine bessere Existenz zu finden. Die schlimmen Teuerungs- und Hungerjahre 1816/17 lösten eine Auswanderungswelle aus. Dann erreichte die Auswanderung wieder einen Höhepunkt in den Notjahren unmittelbar nach 1850 und dann wieder in den 1880er Jahren. Aber nicht nur die wirtschaftliche Not war zu beklagen. In einem Bericht der bernischen Direktion des Innern an das Schweizerische Handels-und Landwirtschaftsdepartement über die Ursachen der nicht unbedeutenden Auswanderung ist auch ein Schreiben der Gemeinden des Amtes Konolfingen aufgeführt. Dieses Schreiben schildert, wo damals die hiesige Bevölkerung der Schuh drückte: <<Eine Ursache der grossen Auswanderung mag in den hohen • Staats- und Gemeindesteuern zu finden sein. Jedenfalls ist es im grossen und ganzen der Materialismus, der unsere Zeit charakterisiert, der die Auswanderung verursacht in Verbindung mit der in überaus grosser Anzahl vorhandener Polizeigesetze und Verordnungen, durch die die individuelle Freiheit der Bürger so beschränkt wird, dass es besonders bei der gegenwärtigen Rechtsunsicherheit nicht zu verwundern ist, wenn Viele die Heimat verlassen und in der Fremde grössere Freiheit zu finden hoffen».

1966 Der Besitzer des Schlossbergheimwesens -fühlte sich durch die von der Neuschloss-Ruine herabstürzenden Steine gefährdet. Er forderte den Abbruch der Mauerreste. Demzufolge fand am 28. April 1966, auf Veranlassung der Gemeindeschreiberei, eine Besichtigung der Ruine durch den kantonalen Denkmalpfleger Dr. von Fischer und Dr. Mojon statt. Diese Fachleute empfahlen, die Ruine keinesfalls abzubrechen, sondern die losen Mauerteile zu sichern. Die Kosten dieser Sicherungsarbeiten wurden auf Fr. 24000.- veranschlagt. Im Namen des Ruinen-Eigentümers Fritz Kehrli wurden· hierauf Beitragsgesuche an verschiedene Stellen gerichtet, auf die Beitrags-Zusicherungen im Betrag von Fr. 15000:- einlangten. Der Schweizerische Burgenverein übernahm zudem von Architekt Frutiger in Küsnacht ZH die Unterlagen zur Sicherung der Anlage. 1977 trafen endlich diese Unterlagen von Architekt Frutiger ein. In seinem Bericht veranschlagte er die Kosten der lnstandstellungsarbeiten auf Fr. 110'000.-. Weiter stellte er fest: «Von der auf alten Ansichten noch sichtbaren umfangreichen Schlossanlage mit dem hohen Wachtturm ist heute ein grosser überwachsener Schutthaufen übrig geblieben. Erhalten ist noch ein Teil des Schlosseingangs, sowie die gemauerte und teilweise aus dem Felsen gehauene Abortanlage. Von der Burgruine sind einzig noch die ansehnlichen Reste der grossen Terrassenmauer, sowie kleinere Mauerstücke der Terrassenmauer der Wohngebäude erhalten». 1978 Der unterdessen in Bowil gegründete Ortsverein nahm sich der Sache an. Auf eine gemeinsame Eingabe der Ortsvereine Bowil und Signau stellte der archäologische 27

Dienst des Kantons Bern mit Schreiben vom 22. August 1978 in Aussicht, die Sanierungsarbeiten im Verlauf des Jahres 1980 aufzunehmen. 1981 Der archäologische Dienst des Kantons Bern bekundete, für die Restaurierung Fr. 140'000.- bereitstellen zu wollen. Dann aber hat der archäologische Dienst die Restaurierung hinausgeschoben und vorerst an der Ruine AltSchloss umfangreiche Restaurierungsarbeiten in Angriff genommen. 1983 Die Restaurierungsarbeiten an der Ruine Alt-Schloss wurden abgeschlossen. Sie kosteten Fr. 160'000.-. An einer vom Ortsverein Bowil am 23. Oktober 1983 organisierten Führung des Kantonsarchäologen Grütter durch die Ruine Alt-Schloss, nahmen über 100 Personen teil. Das grosse Interesse der Einwohner an der Geschichte und der Ruine dieses Schlosses ist erstaunlich und lobenswert. 1985 Im Februar stürzte eine Partie der Stützmauer der Gartenanlage des Neu-Schlosses ab. Die vom archäologischen Dienst veranlassten Gutachten kamen zum Schluss, eine Sanierung der vom Absturz bedrohten Stützmauer-Reste wäre unverhältnismässig. 28 Der Abbruch wurde vorgeschlagen und auch ausgeführt. Sollte im Verlauf der weiteren Entwicklung auch Teile des Kernburgareals in den Gefährdungsbereich geraten, müsste wohl eine archäologische Untersuchung ins Auge gefasst werden. Über die Erhaltung und Restaurierung der Schlossruinen ist nun vorstehend verhältnismässig vi_el gesagt worden.

Angesichts des grossen Interesses, das die Bevölkerung diesem Thema entgegenbringt, scheint uns wichtig zu wissen, dass zuständigenorts in dieser Sache doch einiges getan wurde. Alt-Schloss nach der Restaurierung. 29

Gerichte unter bernischer Obrigkeit Die hohe Gerichtsbarkeit, auch Bluturteile genannt, wurde meistens von der Stadt Bern ausgeübt. Im weiteren gab es ein Gericht mit niederer Gerichtsbarkeit. Dieses bestand in der Regel aus einem Ammann, zwölf Gerichtssässen und einem Weibel. Es konnten dort kleinere Vergehen wie Diebstahl geahndet werden. Die Obrigkeit gab sich verantwortlich auch für das seelische Wohl der Untertanen. So schritt sie mit Sittenmandaten gegen Völlerei, Unzucht und Luxus ein. Ab Ende des 16. Jahrhunderts hatte jede Kirchgemeinde ein Chorgericht, das sich 14täglich nach der Sonntagspredigt im Chor der Kirche versammelte. Es wachte über die Sitten und ahndete Paternitätshändel, Ehestreitigkeiten, unfleissigen Besuch des kirchlichen Unterrichts, Ruhestörung usw. Zu Chorrichtern wurden Bürger der Kirchgemeinde gewählt. Im Chorgerichtsmanual des Jahres 1727 steht die Anmerkung: Originaltext 30

«Vor Ostern 1727 ist Nie/aus Lugibüel zu Oberhofen zu einem Chorrichter erwellt und von unserem hochgeehrten Herren Venner Willading als Obmann unseres Chorgerichts bestätigt und beeydiget • worden. Zu gleicher Zeit hat er das Seckel-Meister- und KilchmeyerAmt antreten müssen». In unserer weitläufigen Kirchgemeinde wurden 4 Aufpasser, Angeber, <<Heimlicher» angestellt, die sittliche Verfehlungen (tanzen, jauchzen, fluchen und schwören, singen zur Unzeit, kilten, saufen, überwirten, <<alles Uriwäsen» etc.) dem Chorgericht zu hinterbringen hatten. Dieses Amt war sehr gesucht! Oft zogen sich Händel in die Länge. Konnten sich die Parteien vor dem eigenen Chorgericht nicht einigen, wurde der Fall nach Bern gemeldet. Mancher hartgesottene Lügner hat dort vor den hohen, gnädigen Herren seine Missetat gestanden. Die Urteile des Oberchorgerichts waren unanfechtbar. Nach dem Einmarsch der Franzosen 1798 wurden in der Zeit der Helvetik (durch Frankreich errichteter schweizerischen Einheitsstaat 1798 - 1803) die Chorgerichte abgeschafft. Im letzten Chorgerichtsmanual vom 1. Juli 1798 steht folgende <<Nota»: <<Und nun nimmt von mir, dem Pfarrer Fischer, die bisherige Führung des Chorgerichtsmanuals ein Ende. Die Revolution hat die Abschaffung des Chorgerichts bewürkt, und die neü aufgerichtete Municipalität besorgt die conhistorialia». 31

Nachstehend ein paar Auszüge aus den Chorgerichtsmanualen der Kirchgemeinde, die guten Einblick in die Zuständigkeit und das Wirken des Chorgerichts geben. Auch kann man daraus entnehmen, dass damals die Sitten offenbar doch noch strenger als heute waren. Aus den aufgeführten Urteilen erfahren wir zudem viel über das tägliche Leben unserer Vorfahren. Da das Chorgericht sich mit sittlichen Verfehlungen befasste, vernehmen wir hier allerdings viel von Verfehlungen und wenig von den Tugenden der damaligen Bevölkerung. Vögtliches Betreuen von Kindern: 20.April 1683. 1 S. 249. «Eodem ist vor Chorgericht erschinnen Nie/aus Lugibüel auff dem büel, sampt dem Christen Niderhauser, dessen Kinderen er ein vögdtlicher pfleger ist, und hatt bericht abgelegt, wie dass er die kinder alle, biss an z'wey verdinget; und zugleich Raht begehrt, wo er mit den z'wey übrigen hin solle? Der vatter selbst begehre ds jüngste, so ferne man ihmme ein gebührliches von ihmme zum Tischgeldt werde folgen lassen erkenndt. Darüber erkenndt worden, dieweylen diser Kinderen mütterlich Gutt ·sehr klein und gering, und sie in dem inneren vierdtel versorget zu werden gehören, alls solle derselbige vierdtel sich zusammen thun und beratschlagen, ob man disen notthürftigen Kinderen ettwas, und wie vil'steüwren wolle, damit sie desto besser mögen verdinget und erhallten werden. Sonst möge eine Ehrbarkeyt wohl ge~tadten, dass dem vatter auff sein begehren hin eines von seinen Kinderen widerumb anvertrauwt werde, jedoch mit disem beding, dass es gebührlich und wohl versorget werde, dass kein klag dannenher komme». 32

«Sabbath enthäiliget»: 1 . Juni 1684. 1 S: 278. «Auff Sonntag, 1. Juny sind vor Chorgricht erschinnen, Nigli Rieder, Michael Lugibüels Knecht von Bowyl und Hanns Stuckj, Nie/aus Lugibüels Knecht von Bowyl, denen vorgehalten worden, warumb sie an einem der Sonntagen in der Lugeren bey dem weintrincken ein üppig leben getriben und allso den Sabbath enhäiliget? Sie sind bekandt gewesen, dass sie daselbsten g'sin, und aber nur ein maass wein truncken: ein jeder ist um 1O Schilling gestrafft und von dem weintrincken an Sonntag ab- und zur Ehrbarkeit und rechter Sabbathtagshäiligung angemahnt worden«. 33

Während des Gottesdienstes für das Vieh gearbeitet: 10. July' 1687. 1 S. 375 ... <<Waren für Chorgricht citiert worden Nie/aus Lugibüe/ und sein Hausfrauw zu Rünckofen; weicheren halben erkendt worden, dass, wegen des manns übelen gehörs, der predicant sie für sich beschäiden, und ihnen absönderlich in beysein bäider Chorrichteren im Dorlf, eine Remonstranz wegen Sabbathschendung, indemme sie in währendem Gottsdienst für ihr Viehe arbeiten und eyngrasen lassen, wie auch von wegen liederlicher besuchung der predigen, geben und enthäilen solle>>. Vaterschaftshandel 25. September, S. 267 ... ((erschinne vor der Ehrbarkeit freywillig Hans Bruni von Stocken KG Reütigen, zu Thun im Dienst und erklärte sich Vatter des Kindes zu seyn, von welchem Anna Luginbühl von Bowil, im wirthshaus in Gwatt ob Thun dismal im Dienst, schwanger ist, mit der Erklärung, wenn die Einwohnergemeinde des inneren Vierthels ihme 30 Pfund Ehesteüer geben wolle, so seye er geneigt, selbige Anna Lugingühl zu ehelichen((. Luderleben: 1732. 12. Okt. S. 34... <<Haben sich versprechen müssen Christen Blaser, des Josts Sohn von Zäziwyl, ein junger, schlimmer Ehemann (vide 28. Aprilis 30.) Peter Lugibüehl, sein Schwager, dess liechtsinnig Nie/. Lugibüehls von Bowil sein liechtsinniger Sohn... Fählimann, ein verschreiter gse/1 ab der nüchteren, samt 2 verschreiten schwösteren Elsi und Bäbi Aeschiman aus dem schachen der gemeind Rüderswyl, verzeigt, dass sie nit nur die gantze nacht mit einander im schlimmen Luderleben herumge/offen, sonder noch dess morgens bey anbrechendem Tag und biss um mittag in dess Chorrichters Geümans hewscheürli in der Lischmaten bey Liechterswyl durch den Fählimans wein holen lassen, brat gesoffen, bouteilles und 34

gläser zerbrochen und ein solches gschrei verführt, dass alle passierende in der landstrass geärgert worden, dessweg ihnen auf nit erfolgende besserung die gefangenschaft gedräut, jeder von dem Manspersohnen 1 Pfund und jedes meidli um 1 O Schilling gestraft und aufs schärfeste censuriert worden». Eheversprechen: Einer Eheansprach wegen, der sie nicht nachkommen will, muss sich auch Elsbeth Lugibüehl von der Friedersmatt in Bern verantworten. Christen Kräyenbüehl von <<Hötschig in der gmeind Münsigen» kann seine Ansprach aber nur mit einem «Kraam» belegen, den Elsbeth von ihm angenommen hat. Dem Gericht genügt das nicht; Christen muss verzichten. Weil aber das Meitli nicht ganz schuldlos·ist, muss es dem Burschen «für all dis Orts gehabte kösten, Kräm und gäng innert 14 tagen 5 thaler entrichten» (15. Juli 1731. S. 27). Eheversprechen, O~ergerichts-E·ntscheid: unsern freündlichen Gruss bevor: .. .<<demnach im streitigen Ehegeschäfft vor uns erschinnen Christen Schneider von Strättligen als Kläger an einem, und Anna Lugibüehl eüre Angehörige von Bowyl, als Antwortere am andern Theil. Um zu wüssen, ob sie, Lueginbüehlin, zu der von Christen Schneider vermeinten Eheversprechung gehalten werden könne oder nit? Als wir nun die gestaltsame der sach der genüge nach erdaueret, haben wir nicht-finden können, dass er seine geklagte Eheversprechung genugsam erwisen, folgliehen er deren abgewisen sein; sie, Lugibüehl, von ihme der e(Wisen, folglichen er deren abgewisen sein; sie, Lugibüehl, von ihme der Ehe halber ledig erkent und beiden nachgelassen sein solle, sich anderwertig nach glück zu versehen. Gott mit uns ! Richter und Rechtsprecher der Stadt Bern». 35

Unanständige Worte gegen den Vater: 6. Merz ... «Erschinne Hans Lugibühl in der Nüchteren, welcher verleydet worden war, er gehe mit allerhand unanständigen Worten gegen seinen alten, gebrechlichen Vater um. - Er gestunde zum Theil seinen Fehler ein, doch wollte er die Schuld davon seinem Vatter selbst beymessen, der ihne gereitzt. - Er ward vermahnt, und ist ihme zu handen der Ehrbarkeit 1 Pfund Buss zu bezahlen auferlegt worden». •Es fällt auf, dass bei all diesen Entscheiden der Familienname Luginbühl vorkommt.Das kam so: Der Archivar der Kirchgemeinde hat s. Zt. für eine Familienforschung aus den Chorgerichtsmanualen die Entscheide, in denen der Familienname Luginbühl vorkommt, herausgeschrieben. Diese Auszüge wurden dem Verfasser dieser Chronik zur Verfügung gestellt. Letzte Hinrichtung im Kanton Bern am 8. Juli 1861 in der Ramseren bei Bärau Eine Frau und drei Männer wurden geköpft, zwei Männer waren aus Bowil, nämlich Samuel Krähenbühl, gew. Knecht im Altschloss und Jakob Stucki, gewesener Bauer im Alt-Schloss. Die vier waren angeklagt, gemeinsam einen Raubmord an einem Mann namens Schlatter vom Schafberg bei Signau begangen zu haben. Das Schwurgericht in Burgdorf verurteilte die vier Personen • zum Tode durch das Schwert. Am A~end vor der Hinrichtung richtete Ptarrer Johann Strasser, Langnau im Amtshaus zu Langnau an die Verurteilten den <<Lebens-Abspruch». Eingangs sagte er: «Arme Unglückliche, von Eurem Gott aber noch zu seiner Gnade in Jesu Christo berufene SünderJ So ist euch denn nun durch den Herrn Stellvertreter unserer hohen Landesobrigkeit kundgethan 36

worden, dass der Grosse Rath des Kantons Euer Strafumwandlungsgesuch abgewiesen hat, und das von den Gerichten über Euch ausgesprochene Todesurtheil muss vollzogen werden. Demnach ergeht nun auch von Seiten Gottes die ernste Mahnung an ein Jedes unter Euch: Beste/Je dein Haus, denn du musst sterben!». Zur Hinrichtung reisten zwischen 14'000 bis 151000 Menschen aus allen Gauen in die Ramsern. Viele hatten sich schon viele Stunden vorher überall postiert, auf Bäumen im angrenzenden Wald, um das grausige Schauspiel vefolgen zu können. In Bern war damals kein Scharfrichter mehr im Amt. Schlussendlich konnte in DeutschRheinfelden der Scharfrichter Mengis zur Vollstreckung des Urteils verpflichtet _werden. Zuerst musste die Frau, dann nacheinander die drei Männer auf das Schafott geführt werden. Dem Scharfrichter passierte ein böses Missgeschick, er schlug der Frau, die einen grossen Kopf gehabt habe, zuerst an die Schulter, erst mit dem zweiten Streich fiel das Haupt. Den andern Verurteilten schlug er mit je einem Schwertstreich das Haupt vom Rumpf. Nach jed.em Schlag des Scharfrichters fielen Zuschauer aus den Bäumen und Tannen, weil sie ohnmächtig wurden vom grauenvoJlen Anblick. Nach der Hinrichtung hielt auf der Richtstätte in Ramserengraben R. Wenger, Pfarrhelfer in Trubschachen die «Standrede» mit folgendem Anfang: «Meine lieben, so zahlreich hier versammelten MitbürgerI Ein schauerlicher Anlass hat uns heute in früher Morgenstunde hier vereinigt; ein vierfaches Todesurtheil wurde am 14. Brachmonat ausgesprochen und heute vollzogen; vier unsrer Mitbürger wurden nacheinander hergeführt; vier Mal blitzte das Schwert; vier Leichname liegen zu meinen Füssen bleich und todt; vier unsterbliche Seelen sind in die Ewigkeit geeilt; vier sündige Seelen stehen vor dem Richterstuhl Gottes!». 37

Schon damals gab es die Schaulustigen und Neugierigen, die sich an dem entzetzlichen Schauspiel weiden wollten. Weil solche Hinrichtungen entwürdigend und dabei mehr Böses als Gutes gelernt werde, wurden damals Hinrichtungen verboten. Das war sicher eine weise Einsicht der Obrigkeit. Noch finden wir Hinrichtungen und insbesondere die damalige Inszenierung als barbarisch. Doch Hand aufs Herz, heute bringt das Fernsehen täglich im behördlichen Einverständnis nicht weniger Schauerliches, und wir dulden das. 38

Besiedlung und Grundbesitzverhältnisse im späten Mittelalter Die Grundbesitzverhältnisse waren im späten Mittelalter in der Gegend von Bowil recht kompliziert. So sind in Urkunden des 14. Jahrhunderts hauptsächlich Burger von Bern, unter anderen die von Erlach und von Bubenberg als Besitzer von Gütern und Rechten erwähnt. Über die Besiedlungsdichte gibt das Urbar der Herrschaft Signau von 1547 Auskunft. Daraus lässt sich entnehmen, dass das Gebiet von Bowil um jene Zeit noch~ recht dünn besiedelt war. In diesem Urbar werden folgende Häuser aufgeführt: Rünkhofen Müli Groggenmoos Oberhoven Bonwyl Fridersmatt Im Urweid In den Widen Auf dem Russach Uf dem Aebnit Ryfferseck Schwendimatt Niderschwendi Zuo lmschmatt Hinderschwendi Vorderschwendi Steinen 4 Häuser 1 Haus 3 Häuser 5 II 1 Haus 1 Haus 2 kleine Hüsli 1 kleines Hüsli 1 II II 1 Haus 3 Häuser 1 Haus 1 II 1 II 1 II 6 Häuser, dazu 5 in der Kirchhöri Signau 39

In einem Verzeichnis von 1607 werden die ansässigen Familien aufgeführt. Die mit * bezeichneten Namen figurieren heute noch in den Bürgerregistern von Bowil: Krähenbühl Ramseyer Luginbühl Friessen Steiner Stadmann Tschantz Suter Jänni Rüfenacht Kapfer * * * * * * Allment Theillung Gfeller Wyss Aengist Christen er Kurtz im Feld Jutzi Schlappach Schindler Bichsel Baschen * * Im sogenannten Seybrief von Steinen aus dem Jahre 1691 steht eingangs geschrieben: «Kundt, offenbar zu wüssen seye allen denen, so disen Theilbrief hören oder lesen werdend: Alsdann einer ehrsamen Gemeind und Bauersame der inneren und üsseren Gemeind zu Steinen in Willen kommen, wegen ihrer verhoffenden besseren Nutzens die innere und üssere Aliment aufzuteilen». In Urkunden aus dem 16. und 17. Jahrhundert werden die Dorfgemeinden Rünkhofen, Oberhafen, Bowil, Steinen und Längenei im Zusammenhang mit Allmendteilung erwähnt. Am nachstehenden Beispiel der Allmendteilung Steinen, die 1691 mit obrigkeitlicher Bewil.ligung über die Bühne ging, ist ersichtlich, wie diese Teilungen vor sich gingen. Es wird hier auch einiges über die damaligen Grundbesitzerverhältnisse ausgesagt. Damals gab es in Steinen zwei Nutzungsgemeinden, nämlich eine innere Gemeinde der 15 Besitzer mit zusammen 69 Kuhrechten, und eine äussere Gemeinde (Bowil) der 17 Besitzer mit 36½ Kuhrechten. 40

Titelblatt des Seybriefs von Steinen. In der Theilungs-Urkunde sind als Berechtigte aufgeführt: Christian Engel + Ulrich Dürig + Bendicht Haldimann + Bendicht Engel + Hans Dürig + C~ristian Dürig + Ulrich und Hans Dürig + 41

Hans Ellenberger, Sager + Hans Haldimann, lmmen-Aegerten + Peter Schnyder Hans und Peter Kammermann + Christian und Hans Haldimann + Hans Schindler, Schüpbach Hans Kupferschmid, Hopfern Andreas Moser + Michael Pfäffli + Ulrich Meyer, Kilch-Meyer + Niclaus Pfäffli, Steinen + Hans Stucki + Christian Pfäffli + Hans Röthlisberger + Niclaus Pfäffli + Christian und Hans Haldimann, hindere Schwändi + Auffällig ist, dass die meisten dieser Geschlechter heute noch in Bowil heimatberechtigt sind (mit + bezeichnet) und teils sogar noch in der Gemeinde Bowil wohnen. Die Bauern waren nicht Eigentümer des Allmendlandes, sondern hatten nur Nutzungsrechte. Der Allmendgenosse bezog bei der Teilung einen Anteil, je nachdem er Kuhrechte besass, die Armen für 1 bis 2 Kühe und etwa 2 Schafe, die Hofbauern für 5 bis 1 O Kühe. Da die Armen durch die Teilung des alten Rütirechts verlustig gingen, auf der Allmend für drei Jahe ein Stück Pflanzland einzuschlagen, konnten sie auch für diese Vergün~ stigung noch ein Allmendstück behändigen. Die.Teilung erfasste zugleich die auf der Allmend stehenden Hölzer. Im: Besitz der Gemeinde blieben (wurden also nicht verteilt) vier Waldgrundstücke, die für den Aufwuchs von Schwellenholz (Bachunterhalt) bestimmt wurden. Bis zum Inkrafttreten des neuen Wasserbaugesetzes am l. Januar 1990 trugen die Rechtsamegemeind-en Steinen-Hübeli, Längenei, Oberhofen und Rünkhofen noch zum Bachunterhalt bei. 42

Die Obrigkeit schrieb vor, dass der verteilte Wald nicht gerodet werden dürfe. Weiter wurde unter anderem bestimmt: - «Dass sie an bezeichnetem Ort eine Stierweide anlegen wollen. Wer diese benützt, soll der stier und ein wucherschwyn haben und erhalten, achtung zu stäg, wäg haben und was von nötten, der gemeind zusammen pietten. Und weilenrwir auch insonderheit in ansehen der armen dise theilung zugelassen, alss sollend die besitzere diser also eingetheilten stucken weder gewalt noch macht haben, selbige zeversetzen, zeverkaufen noch zevertauschen in keinen weg, so(n)dern sambtlich bey disen ihren jetzbesitzenden haüseren verbleiben. Diese Teilung soll nicht länger gelten, als lang es uns gefallen wird und wir es nutz/ich finden werden. Obwohlen ihnen, den vorgemelten unseren underthanen, zugelassen, die brünnen, so auff den ihnen zugetheilten stucken hervor quellend, zu ihrem nutzen zuleiten, so ist demnach denenselben vorbehalten f.!nd sollend sie pflichtig sein, dieselben also zuleiten, dass sie allezeit in den haubt fuhrt fliessen thüeind, damit zu trockenen zeiten der müller derselben genoss werden und sich deren bedienen könne. Wo aber solches nit geschehe, soll er, der müller, den gewalt haben, dise brünnen in den hauptwur selbsten zeleiten und sich deren, so viel er nötig, zebedienen«. Um 1690 hatten in der Talzone zwischen Signau und Konolf_ingen alle Gütergemeinden die Allmend ganz oder zum guten Teil in Sondergut überführt. Die Gemeinde Bowil besitzt keinen Wald Die oft zu hörende Meinung, die Gemeinde Bowil habe ihren Waldbesitz im Winterseiten-, Wildenei- und Toppwald im vorderen Jahrhundert um einen~viel zu niedrigen Preis dem Staate Bern verkauft, ist falsch. Alt Bern, das heisst der Staat Bern vor dem Jahre 1798, war stets auf Erweiterung des Staatsgebietes bedacht. So wurden allmählich die nähern und fernern «Herrschaften» aus den Zeiten, da alles dem Landesherrn gehörte, dem neuen Staatswesen einverleibt. 43

Eine sehr starke Vermehrung des Staatswaldgebietes vollzog sich zudem zur Zeit der Reformation. Damals wurden die Klöster aufgehoben und deren ausgedehnter Grundbesitz wurde Staatseigentum. Im laufe der Jahrhunderte hatten Gemeinden aber auch Private sich in den Staatswäldern Beholzungsrechte ersessen, die als feste und wohlbegründete Rechte bestanden. So hatte die Gemeinde Bowil 1865 das Recht, aus dem Staatswald 67 Klafter Holz zuhanden der Armen in der Gemeinde zu beziehen, nämlich: a. aus dem Kleintoppwald, Gemeindebezirk Schlosswil, 10 Klafter Tannenholz • b. aus dem Wildenei-Winterseitenwald. Gemeindebezirk Bowil 47 Klafter Tannenholz c. aus dem Schüpbachwald, Gemeindebezirk Signau 10 Klafter Tannenholz Durch Servitutsverlegungs-Vertrag vom 31. Januar 1865 sind diese Armenholzrechte sämtlich auf den Wildenei-Winterseitenwald, Gemeindebezirk Bowil verlegt worden. Mit Dienstbarkeits-Loskaufvertrag vom 8. September 1892 wurden diese Armenholzrechte von Bowil dann losgekauft. Der Staat Bern bezahlte der Gemeinde pro Klafter Fr. 720.-, was eine Loskaufsumme von Fr. 48'240.- ergab. Der Vertrag bestimmt, dass die Loskaufsumme von der Gemeinde Bowil als Armenholzfonds gesondert zu verwalten sei und der Ertrag den Armen in der Gemeinde zukommen soll. Dieser Fonds besteht heute noch. Schon vorher, nämlich am 3. März 1856, wurde zwischen dem Staate Bern und den im Wildenei-Winterseitenwald privaten Beholzungs-Berechtigten eine Abfindung vereinbart. Es waren 74 Berechtigte, die iin den Gemeinden Bowil, Grosshöchstetten, Mirchel und Zäziwil wohnten und total 128½ Rechte besassen. (Jedes Recht berechtigte die jährliche Nutzung eines Baumes). Pro Recht wurde eine Jucharte Wald zu 36 Aren an die Privaten abgegeben. 44

Wirtschaft, Verkehr Landwirtschaft, Käsereien In der ersten Hälfte des vorderen Jahrhunderts wurde das Landschaftsbild des Emmentals von Wald und Weiden geprägt. Ackerbau gab es im Vergleich zu heute sehr wenig. Das Vieh wurde im Wald, auf Weiden und Brachland geweidet. Gepflegte Wiesen wie heute gab es damals keine. Man kannte nur die jahrhundertalte Brachwirtschaft. Bei dieser Art Bewirtschaftung war im Emmental nicht einmal die Eigenversorgung gesichert. Nach schlechten Jahren litten grosse Bevölkerungskreise Hunger. Zu Beginn des vordern Jahrhunderts wurden dann die Gräser Klee, Esparsette und Luzerne angebaut. Das Vieh wurde vermehrt im Stall mit Gras gefüttert. Es gab dadurch ·mehr Mist und Jauche. Damit wurde möglich, besser zu düngen und den Ertrag auf Wiesen und Äckern zu erhöhen. Durch Stallfütterung, kombiniert mit Weidegang liessen sich mehr Kühe halten als bis anhin. In Bowil wurden 1866 noch 512 Kühe und 1901 dann bereits 860 Kühe gezählt (ieider fehlen uns Angaben über den Viehbestand anfangs des vordern Jahrhunderts). Es kam zur ersten «Milchschwemme» in der Geschichte des Bauernstandes und es stellte sich das Problem, wie der Überfluss zu verwerten sei. Damals wurde die Milch nur auf den Alpen zu Käse verarbeitet. Mit der Verarbeitung zu Käse, auch in den Tälern, wurde die Lösung gefunden (die erste Talkäserei wurde 1815 in Kiesen in Betrieb genommen). Gegen den Willen der Frauen schlossen sich dann die EmmentalerBauern zu Käsereigenossenschaften zusammen. Bisher hatte die 45

Frau des Hauses über Milch und Anken verfügt und so Geld hereingebracht.Weil ihr durch die Käserei der ganze Milch- und Ankenhandel weggenommen wurde, war sie im allgemeinen gegen das Verkäsen der Milch. In Bowil entstanden die Käsereien: 1837 in Steinen 1852 in Schwändimatt 1871 in Oberhofen (Milchkaufvertrag mit Johann Bachmann) 1882 in Friedersmatt Wann die Käsereien in Bowil und Rünkhofen gegründet wurden, konnte nicht ausfindig gemacht we_rden. Bis vor ein paar Jahren waren in der Gemeinde noch alle 6 Käsereien in Betrieb; heute sind es noch 4. Von den Käsereibezirken Rünkhofen und Oberhofen wird die Milch der Berneralpen-Milchgesellschaft Konolfingen abgeliefert. Die Käsereien sind mit den üblichen bis neuzeitlichsten Einrichtungen ausgestattet. Einzig die Käserei Friedersmatt bietet eine Besonderheit. Hier wurde im Jahre 1987 die aus der Jahrhundertwende stammende Einrichtung (nur) renoviert, also nicht durch eine neuzeitliche ersetzt, und so bedacht eine Schaukäserei eingerichtet. Nach wie·vor wird nun hier die Milch mittels Feuerwagen erhitzt und im Wasserkessi das Brauchwasser bereitet. Auch die Turbine, angetrieben durch Druckwasser aus dem Weiher, ist noch in Betrieb und treibt das Rührwerk. Die Käserei Friedersmatt ist in ihrer Art die letzte Talkäserei der Schweiz. Es verwundert darum nicht, dass heute häufig Schaulustig~, Einzelne und Gruppen, die Käserei besuchen. 46

1,-, ,,., /,_, ;~ . ; : , ; ,,,,,. -';~ . .. .. . . .... u ~)I Alte Käserei Oberhafen, aufgenommen um 1900. Von rechts nach links: Rindisbacher Johann, geb. 1878, Käser; Käserknecht, Name nicht bekannt; Frau Marie Rindisbacher-Lehmann, geb. 1880. Das Gebäude stand ·am Platze der heutigen Milchsammelstelle und wurde 1958 abgebrochen. 47

Am 27. Januar 1955 besuchte der alliierte Feldmarschall des zweiten Weltkrieges die Käserei Steinen. Links: Käsermeister Gottfried Gerber; rechts: Feldmarschall Montgomery. 48

Bedeutung der Landwirtschaft, Veränderungen im laufe der Jahre Trotz markantem Rückgang der Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe in den letzten Jahrzehnten nimmt die Landwirtschaft in der Gemeinde nach wie vor eine erstrangige Stellung ein. Heute ist die landwirtschaftliche Bevölkerung noch mit 400 Personen vertreten; 1930 waren es 921 Personen. Dieser Rückgang ist wohl der Aufgabe der Kleinbetriebe und den kleiner gewordenen Bauernfamilien zuzuschreiben. Das wird wiederum die Hauptursach~ des Bevölkerungsschwundes in der Gemeinde ·von 1516 Einwohner im Jahre 1930 auf 1292 im Jahre 1988 sein. landwirtschaftliche Betriebsverhältnisse in Zahlen: Jahr 1929 1939 1943 1980 1985 1993 Betriebe 182 181 169 141 138 123 Landwirte 154 159 · ? 86 85 72 (hauptberuflich) Jahr 1847 1866 1901 1921 1942 1983 Kühe 419 512 860 827 809 947 Pferde 123 100 1 1 1 144 137 . 61 Diese Zahlen spiegeln den Wandel im laufe der Jahre. Es können daraus folgende Schlüsse gezogen werden: Von 1939 bis 1993 ist jeder dritte Landwirtschaftsbetrieb eingegangen (von 181 auf 123). Fast unbemerkt vollzog sich in diesen 54 Jahren eine, durch die Verhältnisse bedingte, ganz massive Aufstockung. Andererseits hat sich der Kuhbestand von 419 im Jahre 1847 auf 947 im Jahre 1983 mehr als verdoppelt) was auf eine intensive Bewirtschaftung des Bodens schliessen lässt. (Siehe auch Kapitel «Käsereien»). 49

Dass der Pferdebestand in den Jahren 1921 bis 1993 von 144 auf 49 zurückgegangen ist, das hat die Motorisierung mit sich gebracht. In diesem Zusammenhang ist ein Blick zurück ins 18. Jahrhundert ganz interessant; damals unterschied man im Emmental vier Kategorien von Bauernbetrieben: 1 . Der Bauernhof verfügte über einen ganzen Ackerzug von vier Pferden. 2. Das Gut oder Heimwesen konnte mehr als eine Kuh und mindestens ein Pferd, aber kein ganzes Gespann halten. Es erzeugte genügend Brotfrucht für den Eigenbedarf der Bauernfamilie. 3. Im Stall des Heimets oder Kuhgeschicks stand bloss eine Kuh. Sein Besitzer baute etwas Getreide an. 4. ·Der Kleinbetrieb des Geissenbauers hiess Taunergschickli. Es umfasste soviel Land, dass nebst etwas Hanf und Flachs die «Erdspeise» (Rüben, Kartoffeln und Gemüse) angepflanzt werden konnten. Gewerbe Gastgewerbe Im Jahre 1914 warben die Verkehrsvereine des Emmentals mit einer Broschüre für <<Ferien-Aufenthalte im Emmental». Dort steht geschrieben: Groggenmoos, Bowil. Freundlicher, ruhiger Ferienaufenthalt. Naher Tannenwald, 12 Betten. Elektrisches Licht. Eigenes Fuhrwerk, Landwirtschaftsbetrieb. Pensionspreis je nach Jahreszeit und Dauer des Aufenthalters Fr. 3.- bis Fr. 4.-. Besitzer J. Fr. Wüthrich. Wildeneibad. Neuer Bau. ½ Std. von Station Bowil SBB. 20 Fremdenzimmer. Bett von Fr. 1.50 an. Pension von Fr. 4.- an. Frühstück 80 Cts. Mittagessen Fr. 1.50 bis 2.50. Eisenhaltiges Wasser. Bäder zu jeder Tageszeit. Staubfreie Luft, geschützte Lage. Angenehme Spaziergänge. Besitzer: Chr. Hostettler. 50

Pension Alt-Schloss i. E., 815 m.ü.M., 25 Minuten von den Bahnstationen Signau und Bowil. Alte Burgruine mit Tannenwald, Ruheplätzen und schöner Aussicht. Badeeinrichtung. 20 Betten, Telephon. Pension Fr. 4.- bis Fr. 5.-. Eigene Landwirtschaft. Wwe Blaser. Weder im Groggenmoos, in der Wildenei noch auf dem Alt-Schloss werden heute noch Fremdenzimmer angeboten. Der Gasthof Schlossberg verfügt nun über 17 Betten. Bis einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg war Bowil-Chuderhüsi ein beliebtes Ziel für Skitouristen. Bei günstigen Schneeverhältnissen machten viele Schulen der Umgebung bis Bern die Skiausflüge hierher. An den Sonntagen setzten die SBB Extrazüge Bern-Bowil ein, die scharenweise Skifahrer brachten. Die nachstehende Foto zeigt den Ansturm auf die Extrazüge gegen Abend an einem Skisonntag. l Skifahrer an Skisonntag 51

Badekuren im Wildeneibad, insbesondere auch der Pensionspreis von 4 Franken und auch der Ansturm der Skifahrer gehören der Vergangenheit an. Doch die Anpreisung des Ferienaufenthaltes im. Groggenmoos mit <<naher Tannenwald, Landwirtschaftsbetrieb, eigenes Fuhrwerk>>, das tönt ganz neuzeitlich. Vorweggenommen sind doch damit die heute vom Verkehrsverband Emmental propagierten Ferien auf dem Bauernhof und die Pferdefahrten. t f ~ ~ f ' , ~~ ~ :,. ' Diese Wegweiser beim SBB-Bahnhof laden zu einer Vielzahl von schönen Wanderungen ein. Das Wandern und der Aufenthalt in den ausgedehnten prächtigen Wäldern macht unsere Gegend zunehmend zum Erholungsgebiet der nähern und weitem Um~ebung. 52

Handwerk und Gewerbe Handwerk und Gewerbe sind in Bowil gut verbreitet. Neben holzverarbeitenden Betrieben (Sägerei, Zimmerei, Schreinereien, Drechslerei, Wagner) einer Elektronik-Computer-Service Firma, einer Handelsmühle und einer Kundenmühle, einer Schmiede, einer Bauernmalerei, eines Bildhauers, einer Gärtnerei, sind Betriebe der Maschinenbranche, des Bau- und Autogewerbes zu erwähnen. Bedeutsam war die Übersiedlung der Maschinenfabrik Ferdinand Steck von Langnau nach Bowil im Jahre 1962. Diese Firma baut zur Hauptsache Strassenwalzen und Spezial-Lokomotiven für Berg- und andere Bahnen. Das einzige Geldinstitut in der Gemeinde, die Raiffeisenbank, wurde 1956 gegründet. Der Verfasser dieser Schrift hat damals die Gründung der Raiffeisenbank angeregt und den Stein ins Rollen gebracht. Dabei stand die Selbsthilfe der finanzschwachen Gemeinde und die Verminderung der Abhängigkeit der Einwohner und der Gemeinde von auswärtigen Banken im Vordergrund. Anderseits ist die allgemeine Zeiterscheinung festzustellen: das Sterben von Kleinbetrieben. In den letzten 20 - 30 Jahren sind 7 Spezereiläden, eine Sattlerei, zwei Käsereien und e'ine Schmiede eingegangen. Die ältesten Gewerbe in Bowil sind vermutlich die Müllereien, Schmieden und Tavernen (Wirtschaften). Insbesondere die Mühlen werden in alten Schriften oft erwähnt, dies im Zusammenhang mit Verkäufen und Wasserbezugsrechten. So wurde 1395 die Steinenmühle, damals Schlossmühle genannt, von der Stadt Bern erworben. In einem Urbar von 1685 ist die Rede von <<Mühli zu Steynen, ewigen Bodenzinses». Die Mühle im Groggenmoos wird im Urbar der Herrschaft Signau von 1547 und dann 1608 wieder im Zusammenhang mit der Aufteilung der gemeinsamen Wälder auf die Dorfschaften erwähnt. Die Mühlen entstanden zwangsläufig überall dort, wo Getreide angebaut wurde. Für den Standort einer Mühle war das Vorhandensein eines beständigen Wasserlaufs zum Antrieb der Wasserräder 53

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